· 

Rezension Kennen Sie diesen Mann?

Im Jahr 2018 erschien der Roman Kennen Sie diesen Mann? von Carl Frode Tiller mit 352 Seiten als Taschenbuch im btb Verlag der Random House Gruppe.

 

Aufmerksam wurde ich auf diesen Buch durch sein sehr gut gestaltes Cover, welches kaum Auskunft über den Inhalt gibt, aber trotzdem neugierig macht. Da der Klappentext ebenfalls ansprechend klang, war mein Interesse geweckt und der Roman wurde gelesen.

(Klappentext Quelle Random House: David hat sein Gedächtnis verloren. Er weiß nicht mehr, wer er ist. In einer Zeitungsanzeige fordert er Verwandte und Bekannte auf, ihm einen Brief zu schreiben, um ihm seine Erinnerungen zurückzugeben. Und er bekommt Antworten auf seine Fragen. Aber will er die wirklich hören? Denn sie sind ganz unterschiedlicher Art und nicht immer schön. Sein Jugendfreund Jon, ein Musiker, der gerade den Halt zu verlieren scheint, meldet sich. Sein Stiefvater Arvid, ein Pfarrer, der auf den Tod wartet. Und seine Jugendliebe Silje, eine Frau mittleren Alters, die möglicherweise gerade im Begriff ist, aus ihrer Ehe auszusteigen. Die Briefe geben ihnen allen die unerwartete Chance, von ihrem eigenen Leben zu erzählen, während sie zugleich Davids Geschichte einkreisen. Aber wer ist David wirklich?)

 

Der Einstieg in das Buch war jedoch alles andere als leicht. Wer hier schlicht einen einfachen Roman erwartet, der erlebt eine Überraschung, denn es ist alles andere als ein typischer Roman.

 

Der Schreibstil von Carl Frode Tiller ist sehr ungewöhnlich und wirkte stellenweise abgehackt, eine richtige Handlung war erstmal nicht erkennbar. Das Buch ist in drei Abschnitte unterteilt: Jon, Arvid und Silje, aus deren Sicht jeweils in der Ich- Perspektive erzählt wird. Und wenn ich erzählt sage, dann meine ich in diesem Fall wirklich erzählt, denn die wörtliche Rede wird hier nicht mit entsprechend gewohnter Zeichensetzung abgegrenzt, sondern in den normalen Satz mit eingebaut, sodass es beim Lesen manchmal verwirrend ist und man immer mit voller Konzentration beim Roman sein muss.

Jeder der drei Abschnitte ist gleich aufgebaut. Zum einen das momentane Leben der gerade erzählenden Person, zum Anderen Briefe, die von dem jeweiligen Protagonisten an David voller Erinnerungen geschrieben wurden.

Das bringt mich zu dem nächsten ungewöhnlichen Punkt an diesem Buch. Denn obwohl laut Klappentext der Hauptprotagonist, um den es eigentlich gehen soll, David ist, lernt man diesen Menschen überhaupt nicht kennen. Alles was man über ihn erfährt bezieht sich auf die Vergangenheit und steckt in den einzelnen Briefen, die durch die verschiedenen Ansichten der drei Protagonisten teils widersprüchliche Informationen liefern und dem Leser kein klares Bild vermitteln. Auch bleibt unklar, was genau mit David eigentlich passiert ist. Der Leser erfährt lediglich, dass David sein Gedächtnis verloren hat (Seite 15) und deswegen eine Anzeige in der Zeitung aufgab (Seite 208).

 

Die drei Protagonisten Jon, Arvid und Silje stehen an unterschiedlichen Stellen in ihrem Leben. Jon ist ein relativ erfolgloser Künstler, der nach einem Streit mit seiner Band wie so oft im Leben vor dem Problem wegläuft, statt sich diesem zu stellen. Er ist ein alter Jugendfreund von David, der angibt, ebenfalls eine Beziehung zu ihm gehabt zu haben bis sie sich schließlich auseinander gelebt haben.

Arvid ist Davids Stiefvater und ehemaliger Pfarrer. Er ist an Krebs erkrankt und muss sich mit seinem baldigen Tod auseinandersetzen.  Er schildert in seinen Briefen ein ganz anderes Bild von David, der sich von einem schüchternen und wissbegierigen Jungen zum genauen Gegenteil entwickelte, was eventuell an den von Silje später geschilderten psychischen Störungen liegen könnte.

Silje ist eine ehemalige Jugendfreundin von David und Jon. Mit ersterem gibt sie an, eine feste Beziehung geführt zu haben. Zum aktuellen Zeitpunkt lebt sie zusammen mit Mann und Kindern, ist aber alles andere als glücklich in ihrer Ehe und es wird deutlich, dass sie noch immer Gefühle für David hat und ihren Mann mit ihm in Vergleich setzt.

 

Da Kennen Sie diesen Mann? kein typischer Roman ist, fällt mir eine Beurteilung sehr schwer, denn ich habe noch nie ein vergleichbares Werk dieser Art gelesen.

Was mich enttäuscht hat, war das nicht zufriedenstellende Ende des Buches, da einfach nach Siljes letztem Brief Schluss war. Auch konnte ich den Klappentext mit dem Inhalt des Buches kaum in Einklang bringen, da dort von Davids Fragen gesprochen wurde von denen im Buch keine Rede ist und man auch kein deutliches Bild erhält, wer David am Ende ist.

Den ungewöhnlichen Schreibstil kritisiere ich nicht, da ich bereits durch andere skandinavische Autoren gemerkt habe, dass der Schreibstil dort doch oftmals anders ist als im europäischen und amerikanischen Bereich.

 

Ich halte das Buch trotz seiner vielen Ungewöhnlichkeiten für lesenswert, würde aber jedoch keine direkte Leseempfehlung aussprechen. Ich würde jedem Interessenten raten, sich wirklich erst einen Eindruck anhand der Leseprobe zu schaffen und sich dann für oder gegen den Roman zu entscheiden.

 

Leseprobe: