"Racheopfer" ist ein Kurzthriller des Autors Ethan Cross und gehört zur "Ich bin..." Reihe mit Protagonist und Serienkiller Francis Ackerman jr.
Das Buch erschien 2018 mit 160 Seiten erstmals als Paperback-Ausgabe im Bastei Lübbe Verlag.
"Racheopfer" wurde als Vorgeschichte des Serienkillers Francis Ackerman jr. beworben und weckte dadurch meine Neugier, da mir die eigentliche Buchreihe zu dem Zeitpunkt noch unbekannt war und ich den Kurzthriller somit als Einstieg nehmen wollte. Doch obwohl man sich auf den ca. 160 Seiten einen guten Eindruck über den Hauptprotagonisten machen kann, so umfasst seine Vergangenheit/Vorgeschichte lediglich ein paar Zeilen und Andeutungen.
Der/die Leser/in lernt in "Racheopfer" einen sehr intelligenten Menschen mit einer unglaublich schnellen Auffassungsgabe und Lösungsfindung kennen. Sein einziger Makel: angebliche Fehlentwicklungen im paralimbischen Gewebe und seiner Amygdala, was ihn laut Forschern zu einem Serienkiller gemacht hat.
Genau an dieser Stelle setzt der Kurzthriller ein, denn Ackerman soll die neue Testperson in der Klinik werden und an einer Therapie teilnehmen.
Doch jeder der gerne Thriller liest, der weiß bereits an dieser Stelle, dass nichts so einfach läuft wie geplant.
Persönliche Rachegefühle und Traumata spielen hier eine ganz besondere Rolle und beherrschen die Protagonisten Dr. Jennifer Kelly und David McNamara in ihrem Handeln, wodurch sich weitreichende Konsequenzen, nicht nur für die Klinik, ergeben. Dadurch wird die Wahl des Buchtitels deutlich, denn sowohl Einzelpersonen sind hier Opfer ihrer eigenen Rache als auch Unschuldige werden aus Rachsucht in Mitleidenschaft gezogen.
Das Cover des Buches lässt jedenfalls auf Grund seiner Einfachheit wenig Interpretationsspielraum. Der rote Titelschriftzug auf schwarzem Untergrund macht aufmerksam und wirkt gleichzeitig auf eine Art gefährlich, da sich im selben Rotton eine Art Qualm um den Titel zieht.
Ethan Cross' Schreibstil ist sehr gut verständlich und lässt sich flüssig lesen. Unbeachtet seiner restlichen Werke bin ich hier allerdings bei der Charaktererstellung und der Schnelligkeit des Kurzthrillers ein wenig enttäuscht.
Die meisten Charaktere, inbesondere Jennifer und David, ernten kaum bis gar keine Sympathie. Auf Grund ihrer jeweiligen Ausbildung und dem Wissensstand Ackerman betreffend wirken ihr Denken und Handeln teils unnachvollziehbar, unlogisch und nervig.
Doch Klinikleiter Dr. Stewart Kendrick schießt sich schließlich noch an die Spitze meiner Unsympathie-Liste. Das er seinen Ruf und Erfolg vor das Leben anderer setzt lässt mich persönlich genauso den Kopf schütteln wie die Tatsache, dass in der Klinik die Forschung an Straftätern unteranderem mit Hilfe von Medikamenten erfolgt, da im Buch keinerlei Hinweis darauf zu finden ist, ob dies auf freiwilliger Basis geschieht.
Ab der zweiten Hälfte des Kurzthrillers geht die Handlung rasant vorran und Francis Ackerman jr. fasziniert damit, wie schnell er Umdenken kann und neue Fluchtmöglichkeiten und -pläne findet. Doch so schnell und spannend es weitergeht, umso lieber hätte ich manche Szene gerne noch mit ein paar mehr Details und psychischen Spielen seitens Ackerman genossen. Insbesondere die Konfrontation zwischen Jennifer und Francis hätte für meinen Geschmack etwas umfangreicher sein können, in dem sie z.B. als ausgebildete Psychiaterin ihn mehr analysiert oder der Mord an ihrer Familie detaillierter geschildert wird.
Das Ende von "Racheopfer" ist offen gehalten, was durchaus verständlich ist, da es sich ja, wie bereits erwähnt, um eine Vorgeschichte ergänzend zu bereits erschienenen Büchern handelt.
Besonderen Anklang am Ende fand aber bei mir der gewählte Vergleich zwischen Ackerman und einem Wolf, den der Hauptprotagonist selbst stellt, nachdem er sich Auge in Auge mit dem Tier gegenüber steht.
(Zitat Seite 155/156: "Er empfand eine merkwürdige Verwandtschaft zu dem Tier. Sie beiden waren in eine Welt geboren, in der es ihnen bestimmt war, die Bösen zu sein, und keiner von ihnen konnte etwas dagegen tun. Keiner konnte sein Wesen ändern. Es war bedeutungslos, ob Ackerman mehr sein wollte, als er war. Die Welt hatte ihm seine Rolle zugewiesen und die Menschen hatten bestimmte Erwartungen an ihn.")
Eine gute Beschreibung mit Anspielung auf eine Welt voller Vorurteile.
Trotz kleinerer Kritikpunkte halte ich "Racheopfer" für absolut lesenswert und auch für Ackerman-Neulinge, wie mich, gut geeignet.
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